Bericht des Petitionsausschusses
In der Plenarwoche vor den Weihnachtsfeiertagen durfte ich als stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses den Jahresbericht 2025 im Plenum des Landtags vorstellen. Die Zahlen sprechen für sich:
Über 6.000 Petitionen haben wir im vergangenen Jahr bearbeitet, mehr als 5.200 neue Eingaben sind bei uns eingegangen. Hinter jeder dieser Zahlen steht ein persönliches Anliegen, eine konkrete Sorge oder ein Problem, bei dem Bürgerinnen und Bürger unsere Hilfe suchen.
Gerade in Zeiten, in denen demokratische Institutionen zunehmend hinterfragt werden, zeigt dieses stabile Petitionsaufkommen: Die Menschen vertrauen dem Parlament. Sie wenden sich an uns, wenn sie bei Behörden an Grenzen stoßen, wenn Verfahren zu komplex werden oder wenn sie das Gefühl haben, mit ihrem Anliegen allein nicht mehr weiterzukommen.
Hier meine Rede im Volltext:
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Bericht
des Petitionsausschusses
1. Halbjahr 2025
Berichterstatter: Herr Abgeordneter Thomas Schnelle MdL
Stellv. Vorsitzender des Petitionsausschusses
Datum: 18.11.2025
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Petitionsausschuss legt heute einen weiteren Tätigkeitsbericht vor. Ein Bericht, der weit mehr ist als eine reine Dokumentation. Er ist ein Spiegel der vielfältigen Anliegen und Sorgen, die uns tagtäglich erreichen. Nicht selten handelt es dabei um existenzielle Fragen von Bürgerinnen und Bürgern, die sich in belastenden Lebenssituationen an uns wenden. Oft in der Hoffnung, doch noch gehört zu werden. Manchmal mit der Erwartung, dass wir als letzte Instanz einen Ausweg aufzeigen können.
Lassen Sie mich eines deutlich sagen: Wir verstehen uns nicht als Gegenspieler von Behörden oder Institutionen, sondern als vermittelnde Instanz. Unser Ziel ist es, Brücken zu bauen, Dialoge zu ermöglichen und tragfähige Lösungen im Rahmen des rechtlich und politisch Machbaren zu finden. Dabei geht es vor allem auch darum, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen, ihnen Gehör zu verschaffen und ihnen in ihrem oft schwierigen Alltag mit Respekt und Aufmerksamkeit zu begegnen.
Die Arbeit im Petitionsausschuss ist dabei Teil der parlamentarischen Verantwortung, der wir uns verpflichtet fühlen: Bürgernähe zu leben, Vertrauen in demokratische Prozesse zu stärken und Politik dort spürbar zu machen, wo sie den Alltag der Menschen direkt berührt. In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Komplexität ist es wichtiger denn je, dass wir die Brücke zwischen Bevölkerung und Politik stärken, damit Entscheidungen transparent, nachvollziehbar und vor allem bürgernah bleiben.
Die Fälle, die ich Ihnen heute vorstellen möchte, sind nur eine Auswahl der vielen Anliegen, die uns erreichen. Doch sie stehen stellvertretend für zahlreiche weitere Petitionen, hinter denen persönliche und oft tief bewegende Geschichten stehen. Sie zeigen zugleich, wie groß das Vertrauen ist, das die Menschen in das Petitionsrecht – und damit auch in uns als Parlament – setzen. Dieses Vertrauen ist unsere Verpflichtung.
In Zeiten, in denen man der Demokratie und dem Parlamentarismus Erosion unterstellt, ist die Anzahl der Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Eingaben an uns wenden, erfreulich stabil.
Zunächst ein Ausblick zum Jahresende: Im Jahr 2025 werden beim Petitionsausschuss über 5.200 Petitionen eingegangen sein und wir werden über 6.000 Petitionen geprüft, beraten und beschieden haben.
Im ersten Halbjahr 2025 haben den Petitionsausschuss 2.891 Eingaben erreicht. Zugleich wird der Ausschuss 3.667 Eingaben beraten und abgeschlossen haben. Davon wurde in rund 325 Fällen das Verfahren gemäß Art. 41a der Landesverfassung durchgeführt.
Das Verfahren nach Art. 41a Landesverfassung hat seit den 1960er Jahren eine ganz besondere Bedeutung für den Ausschuss, seit der damalige Landtag aufgrund von Skandalen im Strafvollzug parteiübergreifend beschloss, den Artikel 41a in die Landesverfassung aufzunehmen. Damit ist der Petitionsausschuss mit Rechten ausgestattet, die den Rechten von Untersuchungsausschüssen nahekommen.
Wenn der Petitionsausschuss einen Beschluss nach dieser Verfassungsnorm herbeiführt, können Abgeordnete des Petitionsausschusses gemeinsam mit Beamtinnen und Beamten der Petitionsverwaltung insbesondere Erörterungstermine durchführen. Dabei treten wir mit den Bürgerinnen und Bürgern in einen unmittelbaren und direkten Austausch, laden die beteiligten Behörden ein und suchen nach gemeinsamen Lösungen auf Augenhöhe.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Arbeit des Ausschusses in der ersten Jahreshälfte 2025 war mit einem Anteil von fast 30 % der Bereich Bauen, Wohnen, Verkehr und Umwelt. Zusätzlich haben den Ausschuss auch wieder Massenpetitionen erreicht. Vielen Menschen bereiteten Kürzungen des Landeshaushalts, insbesondere die Streichung der Förderung von Kinderwunschbehandlungen, große Sorgen. Auch Vorhaben im Straßenbau oder Initiativen aus dem Umweltbereich haben zu politischen Initiativen an den Petitionsausschuss geführt.
In Einzelfällen konnte der Ausschuss helfen, politische Entscheidungen trifft er jedoch nicht, sondern verweist solche Sammel- und Masseneingaben an die jeweiligen Fachausschüsse. So können die Argumente der Bürgerinnen und Bürger in die dortige politische Willensbildung einfließen.
Der Bereich Ausländerrecht ist aktuell mit fast 13 % aller Eingaben vertreten. Leicht gesunken ist die Anzahl der Eingaben aus dem Sozialrecht. Im ersten Halbjahr 2025 waren rund 10 % aller erledigten Eingaben diesem Rechtsgebiet zuzuordnen. Gleichzeitig liegt hier ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit des Petitionsausschusses. Viele Eingaben betrafen Fragen rund um Grundsicherung, Erwerbsminderung und weitere existenzsichernde Leistungen. Deutlich wurde dabei, wie stark Betroffene auf verlässliche und rechtzeitige Entscheidungen angewiesen sind.
Andere Themenschwerpunkte waren das öffentliche Dienstrecht, die Rechtspflege und Eingaben zum Thema Schulen und Hochschulen.
Eine detaillierte Statistik des Jahres befindet sich am Ende des schriftlichen Berichts.
Erfolgreich waren auch vom Ausschuss durchgeführte Sprechstunden, beispielsweise in einem Seniorenzentrum in Köln, aus der zahlreiche Petitionen hervorgegangen sind. Viele Anliegen konnten aufgenommen und bereits im Sinne der Betroffenen bearbeitet werden. Dies unterstreicht die Bedeutung niedrigschwelliger Angebote vor Ort – auch für ältere Menschen und sozial benachteiligte Personen. Der Petitionsausschuss wird solche Sprechstundenangebote auch künftig fortsetzen – vor Ort in den Kommunen, im Landtag oder auch per Telefon. So soll der direkte Zugang zum Petitionsrecht weiter gestärkt werden.
Um Ihnen einen Eindruck von der Arbeit des Petitionsausschusses zu verschaffen, möchte ich im Folgenden einige ausgewählte Petitionen vorstellen.
Den Petitionsausschuss erreichen auch weiterhin viele Eingaben zum polizeilichen Tätigkeitsrecht und zu Ermittlungsmaßnahmen. In einem besonders denkwürdigen Fall, der aus bisherigen Fällen herausragt, geriet eine junge Frau nachweislich unverschuldet ins Visier der Ermittlungsbehörden. Eine fehlerhafte Ermittlungsmaßnahme, nämlich eine unzureichende Wahllichtbildvorlage, führte dazu, dass gegen die junge Frau ein Anfangsverdacht begründet wurde. Sie sollte Teil eines international agierenden Drogenhändlerrings sein. Hinzu kam, dass die weiter gegen sie geführten Ermittlungen teilweise unvollständig durchgeführt wurden.
Entlastende Erkenntnisse wurden teilweise zu spät weitergeleitet oder nicht mit hinreichender Sorgfalt ausgewertet. So kam es schließlich dazu, dass bei der Betroffenen eine Wohnungsdurchsuchung sowie ein empfindlicher Vermögensarrest in Höhe eines mittleren fünfstelligen Betrags angeordnet wurde.
Erst auf Beschwerde der Betroffenen vor dem Landgericht wurde der Vermögensarrest aufgehoben und der Ermittlungsfehler erkannt. Die Betroffene wandte sich an den Petitionsausschuss, um eine Aufarbeitung des ihr widerfahrenen Unrechts zu erreichen und eine Entschuldigung zu erhalten. Die involvierten Ermittlungsbehörden haben auf Anregung und Vermittlung des Petitionsausschusses den Vorgang umfänglich aufgearbeitet und sich bei der jungen Frau entschuldigt. Insbesondere fanden persönliche Gespräche zwischen den leitenden Polizeibeamten und der Betroffenen statt, um den Vertrauensschaden zu beheben.
Der Petitionsausschuss ist immer wieder mit Maßnahmen im Zusammenhang mit polizeilichen oder staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren befasst. Die Bearbeitung solcher Fälle zeigt das hohe professionelle Niveau der Ermittlungsbehörden und ihrer Beamtinnen und Beamten. Soweit in Einzelfällen Mängel bekannt werden, vermittelt der Petitionsausschuss regelmäßig zwischen den Beteiligten, um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken und eine nachhaltige Aufarbeitung mitzugestalten. Wir begrüßen dabei die gegenseitig wertschätzende und konstruktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden, um ein hohes Maß an Qualität und Bürgernähe zu gewährleisten.
Nicht alle Anliegen, die den Petitionsausschuss erreichen, folgen einem gewöhnlichen Verlauf. Manche Fälle lassen selbst erfahrene Mitglieder des Ausschusses zunächst ratlos zurück. Ein besonders ungewöhnlicher Fall aus dem Berichtszeitraum zeigt jedoch, wie wichtig eine unabhängige parlamentarische Kontrolle ist – und dass Fehler im Verwaltungshandeln letztlich korrigiert werden können.
Eine junge Auszubildende aus Ostwestfalen erhielt im Sommer 2024 überraschend eine Anhörung zu einem Bußgeldverfahren wegen eines Rotlichtverstoßes in einer Großstadt. Die Betroffene war dort jedoch nie gewesen; zum angeblichen Tatzeitpunkt befand sie sich in ihrem Ausbildungsbetrieb. Dennoch wurde sie von der Bußgeldbehörde als verantwortliche Fahrerin angesehen – gestützt auf eine frühere Meldeadresse, einen oberflächlichen Fotovergleich und die Übereinstimmung ihrer Initialen mit zwei Buchstaben des Kennzeichens. Eine Reihe von Zufällen führte damit zu einer gravierenden Fehlzuordnung.
Aus den vorgenannten Gründen hielt die Petentin die Anhörung zu dem Bußgeldverfahren für eine geschickt gemacht Fälschung. Im Anschluss erhielt sie einen Bußgeldbescheid, mit dem eine Geldbuße sowie ein Fahrverbot für die Dauer von 4 Wochen festgesetzt wurde.
Die Petentin reagierte sofort per E-Mail auf die Anhörung und bestritt den Vorwurf. Ihr Einspruch gegen den auf die Anhörung folgenden Bußgeldbescheid blieb jedoch unberücksichtigt, weil er nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form eingelegt wurde. Obwohl erkennbar war, dass die Betroffene rechtlich unerfahren war und ersichtlich Einspruch einlegen wollte, erhielt sie keinen Hinweis hierauf. Parallel blieben entlastende Hinweise – darunter eine eidesstattliche Versicherung des Halters sowie eine Bestätigung ihres Ausbildungsbetriebs – zunächst unberücksichtigt.
Da die Petentin die anwaltliche Vertretung nicht finanzieren konnte, übernahm ihr Arbeitgeber die Kosten für einen Rechtsanwalt. Dieser stellte im Rahmen der Akteneinsicht erneut fest, dass die Tatsachengrundlage für die Fahrerermittlung äußerst zweifelhaft war. Das Fahrverbot brachte die junge Frau zudem beruflich in Bedrängnis: Eine passende Busverbindung gab es nicht, sodass ihr Vater über Wochen täglich die Fahrten zum Ausbildungsbetrieb und zurück übernahm – insgesamt 1.687 Kilometer –, um den Abbruch ihrer Ausbildung zu verhindern.
Nachdem sich die Petentin an den Petitionsausschuss gewandt hatte, wurde der gesamte Vorgang umfassend aufgearbeitet. Der Ausschuss hob im Verfahren die zahlreichen Unstimmigkeiten in der Fahrerermittlung und den Umgang mit dem Einspruch deutlich hervor. Das Ministerium des Innern ging diesen Hinweisen sorgfältig nach und prüfte den Sachverhalt eingehend. Die Untersuchung des Ministeriums bestätigte schließlich eindeutig, dass die Petentin nicht die Fahrerin des Fahrzeugs gewesen sein konnte. Im Erörterungstermin vertraten die Vertreter der Stadt ihre bisherige Auffassung zwar zunächst weiter; erst im Nachgang, nach vertiefter Prüfung der vom Petitionsausschuss und vom Ministerium aufgezeigten Widersprüche, korrigierte die Stadt ihre Haltung und akzeptierte die Lösung des Falls.
Das Amtsgericht stellte das Verfahren später ein und legte die Kosten sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auf. Damit steht der Petentin die Erstattung der Anwaltskosten sowie der ihrem Vater entstandenen Fahrtkosten zu; auch die Löschung der eingetragenen Punkte ergibt sich aus der Einstellung des Verfahrens.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass die Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung im zugrunde liegenden Verfahren nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Der Fall zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, dass Bürgerinnen und Bürger sich bei Zweifeln an behördlichen Maßnahmen an ein unabhängiges Kontrollorgan wenden können.
Zugleich wird sichtbar, dass eine sorgfältige fachliche Prüfung durch die Landesregierung dazu beitragen kann, Fehler im Verwaltungshandeln aufzudecken und zu korrigieren. Der Ausschuss konnte in diesem Fall maßgeblich dazu beitragen, die Rechte der Petentin zu sichern und ein gerechtes Ergebnis herbeizuführen.
Welche frappierenden Einzelschicksale immer wieder hinter Petitionen stecken, zeigt der Fall einer jungen Frau, die seit fast zehn Jahren um die Anerkennung ihrer Eigenschaft als „blind“ kämpft! Anfangs noch als Unterstützung für ein anstehendes Studium gedacht, hat die Petentin nun ihr Masterstudium erfolgreich abgeschlossen. Jetzt könnte man meinen, warum ist das so langwierig – entweder man ist blind oder nicht. Doch so einfach ist es nicht. Trotz zahlreicher eindeutiger medizinischer Diagnosen wurde ihr der Status als blind verweigert, was schwerwiegende Folgen für ihr Leben hat.
Um diese Ungerechtigkeit zu beenden, musste die junge Frau gleich zwei Petitionen einreichen: Der erste Beschluss des Ausschusses aus 2019 wurde seitens der zuständigen Kommune schlicht und ergreifend nicht umgesetzt. Stattdessen wurden die zahlreichen medizinischen Gutachten weiter in Zweifel gezogen. Ende 2024 hat der Petitionsausschuss erneut erörtert und der Kommune einen sehr deutlichen Hinweis erteilt, dem ganzen nun endlich ein positives Ende zu setzen.
Auch das fünf Jahre parallel laufende Gerichtsverfahren hat einen guten Ausgang gefunden:
Nachdem ein Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass als gesicherte Diagnose eine Blindheit im gesetzlichen Sinne vorliegt, wurde seitens der Kommune das Merkzeichen „Blindheit“ an die Petentin vergeben.
So ist nun zu hoffen, dass sie endlich Zugang zu den notwendigen Hilfsmitteln erhält und ihr finanzielle Unterstützung gewährt wird. Noch wichtiger aber ist, dass sich diese junge Frau nach einer solch langen Behördenirrfahrt endlich wirklich inkludiert fühlt.
Einen weiteren Schwerpunkt unserer Arbeit verzeichnen wir im Bereich der Jugendhilfe. Deutlich zugenommen hat die Zahl der Eingaben, in denen Bürgerinnen und Bürger ihr Petitionsrecht nutzen, um bei Konflikten mit Jugendämtern Gehör zu finden – etwa bei Inobhutnahmen und Kindeswohlgefährdungsanzeigen, Sorge- und Umgangsrechtsfragen oder bei der Gewährung von Hilfen zur Erziehung.
Neben Eltern wenden sich auch immer wieder Großeltern hilfesuchend an uns, wenn ihre Enkelkinder in Obhut genommen werden. Pflegeeltern berichten häufig von Konflikten, etwa wenn sie sich bei Entscheidungen der Jugendämter nicht ausreichend eingebunden fühlen. Immer wieder werden dabei auch strukturelle und fachaufsichtliche Mängel angesprochen.
Zwar ist unser Handlungsspielraum in diesen Fällen begrenzt, da die Jugendämter ihre Aufgaben im Rahmen der grundgesetzlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung ausüben. Doch können wir Einzelfälle erörtern und alle Beteiligten gemeinsam an einen Tisch bringen, um die jeweiligen Sichtweisen zu hören und in ein sachliches Gespräch zu treten. Oft wird dabei deutlich, wie schwierig das gegenseitige Verstehen im täglichen Miteinander sein kann: Auf der einen Seite die Vorgaben, denen die Jugendämter aufgrund von Rechtsvorschriften und Gerichtsentscheidungen unterliegen, auf der anderen Seite die Sorgen und Nöte der Sorgeberechtigten.
Auch wenn alle Seiten das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen, gehen die Vorstellungen darüber, was das konkret bedeutet, oft weit auseinander.
Gerade weil diese Themen so hochemotional sind, sind sie oft von Kommunikationsdefiziten geprägt. Hier kann der Petitionsausschuss als „Mittler“ und „Begleiter“ oft dazu beitragen, eine neue Gesprächsbasis zu schaffen und verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.
Wie Sie vielleicht wissen, ist der Bereich des Strafvollzugs für das Petitionsverfahren traditionell ein besonders wichtiges Tätigkeitsfeld. Es ist gelebte Staatspraxis in Nordrhein-Westfalen, dass der Petitionsausschuss einen besonderen Blick auf die Sorgen und Nöte in den Justizvollzugsanstalten wirft, in die Haftanstalten reist und vor Ort Gespräche führt – sowohl zu Bitten und Beschwerden von Insassen als auch zu Anliegen von Mitarbeitenden und ehrenamtlich Engagierten.
Diese Arbeit ist uns auch wichtig, weil die gesellschaftliche Lobby für straffällig gewordene Menschen nicht sehr stark ist. Wir alle haben aber gleichwohl ein erhebliches Interesse daran, dass die anspruchsvolle Arbeit in den Haftanstalten erfolgreich ist. Denn jeder Fall gelungener Resozialisierung stärkt nicht nur die innere Sicherheit, sondern ist auch ein Beitrag zu einem solidarischen Miteinander. Mein besonderer Dank gilt daher auch all den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Strafvollzug, deren Arbeit hohe Professionalität und Menschlichkeit erfordert und große Anerkennung verdient.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang einen letzten und besonderen Fall schildern, der den sensiblen Bereich jüdischen Lebens im Strafvollzug betrifft. Denn der Schutz jüdischen Lebens – sicher und frei von unnötigen Hürden – ist von zentraler Bedeutung, auch hinter Gefängnismauern. Ein Inhaftierter wünschte sich, auch hebräischsprachige oder israelische Fernsehsender empfangen zu können. Da solche Sender aber nur über das Internet empfangbar sind, sahen die Haftanstaltsleitung und das Ministerium aus technischen und sicherheitsbedingten Gründen keine Möglichkeit, diesem Wunsch zu entsprechen.
Grundsätzlich können Gefangene am Hörfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Zwar darf der Empfang zum Schutz von Sicherheit und Ordnung zeitweise eingeschränkt werden, doch im konkreten Fall sieht der Petitionsausschuss keine nachvollziehbaren Gründe, die eine solche Einschränkung verhältnismäßig erscheinen lassen. Gerade mit Blick auf die Bedeutung der in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheitsrechte erscheint uns dies unbefriedigend. Insbesondere ist die Freiheit zu schützen, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Zudem garantiert das Grundgesetz die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Gerade für Menschen, deren Alltag hinter Gittern stark reglementiert ist, besitzt dieses Thema eine besondere Bedeutung. Der Petitionsausschuss bittet daher erneut und eindringlich, alternative Wege zur Ermöglichung eines entsprechenden Zugangs zu prüfen.
Bei unseren Besuchen in verschiedenen Haftanstalten mussten wir zudem Kenntnis davon nehmen, dass ein weiterer Problembereich zunehmende Herausforderungen an den Strafvollzug stellt: Dabei handelt es sich um chemisch neu designte Drogen, mit denen Trägerstoffe, etwa Briefpapier, getränkt und eingeschmuggelt werden. Ihre Dosierung und Wirkung sind häufig unberechenbar und gefährlich.
Die Erkennung und Abwehr solcher Substanzen bei Postkontrollen stellen die Anstalten vor erhebliche Herausforderungen. Erfreulicherweise sind sie gut darauf vorbereitet, doch es ist absehbar, dass solche neuen psychoaktiven Stoffe nicht nur den Strafvollzug, sondern weitere gesellschaftliche Bereiche betreffen werden. Ich möchte Sie daher für diese neue Problematik besonders sensibilisieren.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Fälle, die ich Ihnen heute vorgestellt habe, stehen exemplarisch für viele hundert Anliegen, die uns allein in den vergangenen Monaten erreicht haben. Sie zeigen, wie vielfältig die Lebenswirklichkeiten in unserem Land sind – und wie groß der Wunsch nach Gehör, nach Gerechtigkeit und nach Unterstützung ist.
Jede Petition steht für ein konkretes persönliches Schicksal. Und jede einzelne erinnert uns daran, dass politische Verantwortung nicht abstrakt ist, sondern dort beginnt, wo Menschen unmittelbar betroffen sind. Das Petitionsrecht ist dabei weit mehr als ein demokratisches Instrument. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es der letzte Weg, auf Missstände aufmerksam zu machen und auf Lösungen zu hoffen.
Mein besonderer Dank gilt allen, die dazu beitragen, dass der Petitionsausschuss seine anspruchsvolle Aufgabe erfüllen kann: den Petentinnen und Petenten, die den Mut haben, ihre Anliegen an uns heranzutragen – oft in schwierigen Situationen, mit berechtigter Erwartung und großem Vertrauen. Ihr Mut zum Einspruch und ihr Wunsch nach Gerechtigkeit und Veränderung halten den Auftrag unseres Ausschusses lebendig.
Ebenso danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, die in zahlreichen Sitzungen, Erörterungsterminen und Beratungen mit hoher Fachlichkeit, großem Engagement und viel Empathie arbeiten.
Ein besonderer Dank gilt den Frauen und Männern, auf deren Unterstützung wir uns in unserer Arbeit jederzeit verlassen können – und das sieht man dann auch an den Zeiten und der Schnelligkeit, wie unsere Mail beantwortet werden, oft nach Dienst und am Wochenende. Damit meine ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsreferates, die unsere Arbeit stets mit hoher fachlicher Kompetenz und großem Einsatz begleiten. Ohne sie wäre unsere Arbeit nicht denkbar. Ihnen und Euch möchte ich im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss danken.
Die Arbeit im Petitionsausschuss ist oft leise, selten im Rampenlicht, und doch von großer Bedeutung für unsere Demokratie. Sie bringt uns in direkten Kontakt mit dem, was Menschen bewegt, und fordert uns heraus, Politik nahbar, nachvollziehbar und menschlich zu gestalten. Lassen Sie uns auch künftig dafür einstehen, dass dieses Recht auf Anhörung nicht nur formell besteht, sondern tatsächlich gelebt wird. Dass wir zuhören, prüfen, vermitteln – und dort, wo es möglich ist, helfen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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